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Kleingärten stehen unter Druck

Die Berliner Kleingärten nehmen eine Fläche von rund 2.900 ha und somit rund 3 % der gesamten Stadtfläche ein. Davon sind ca. drei Viertel im Eigentum des Landes Berlin. Keine vergleichbare Metropole hat eine so große Anzahl an privat nutzbaren Gärten im unmittelbaren Einzugsbereich der Innenstadt. Und sind damit wichtiges Berliner Kulturgut. Sie stehen aber unter enormem Baudruck. Wie in allen Großstädten besteht ein Mangel an günstigem Wohnraum, neue Bauprojekte schielen auf die teilweise über 100 Jahre alten Kleingärten.

Über diesen Druck, den Wert von Kleingärten und das Klischee vom engstirnigen Petuniengärtner, sprach ich mit Alexandra Immerz und Susanne Fratzke. Beide gärtnern seit einigen Jahren in ihren Berliner Kleingärten. Sie sind aktiv als Gartenaktivistinnen in Pankow und im Forum Städtgärtnern.

Was ist Euch beim Gärtnern besonders wichtig?

Alexandra: Ich finde es schön, dass ich mit meinem Garten einen kleinen Beitrag zur Artenvielfalt leisten kann. Im Februar habe ich meine Obstbäume beschnitten. Aus den Zweigen baue ich jetzt eine Totholzhecke. Darin finden Vögel einen geschützten Bereich zum Nisten. Im Herbst schneide ich die Blumenstauden nicht zurück. In den Stängeln dürfen Insekten Winterschlaf halten.

Susanne: In meinem naturnahen Garten gibt es eine Trockenmauer. Die Ziegel stammen aus Berliner Abrisshäusern. Vielen Pflanzen bieten die kleinen Mauern Wärme. Und die Wildbienen freuen sich über den Borretsch und den Mauerpfeffer, die darin wachsen.

Alexandra: Das Ganze macht auch noch Spaß und ich kann mich beim Gärtnern entspannen. Mit dem Hobby was Gutes bewirken, das ist doch toll!

Susanne: Und Wildbienen beobachten macht auch großen Spaß. 

Ihr seid im Forum Stadtgärtnern aktiv. Was macht Ihr dort?

Alexandra: Im Forum Stadtgärtnern kommen Kleingärtnerinnen und Gemeinschaftsgärtner zusammen. Wir organisieren regelmäßig Diskussionsveranstaltungen, wo Stimmen aus Stadtpolitik, Verbänden und Wissenschaft aufeinandertreffen. Wir überlegen gemeinsam, was wir tun können, damit Berlin kein weiteres Stadtgrün verliert.

Susanne: Am „Tag des Gartens“ haben wir uns mit Naturschutzverbänden zusammen getan, zum Beispiel dem BUND und der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft für Naturschutz. Als gemeinsame Aktion haben wir ein Transparent an vielen Gartenzäunen angebracht, das zum Schutz aller städtischen Gärten aufruft mit dem Slogan „Berlin braucht mehr Gärten“.

Alexandra: Wir haben uns schon mehrmals an großen Klima-Demos beteiligt. Außerdem waren wir beispielsweise vor dem Roten Rathaus mit Infomaterial präsent, als dort die Bezirksbürgermeister über den Kleingartenentwicklungsplan 2030 beraten haben.

Susanne: Was uns gefreut hat: Die Bezirksbürgermeister haben im Anschluss deutliche Kritik an diesem Plan geäußert. Wir stehen mit unserer Position also nicht allein da. Wir Berliner wollen schließlich ja alle auch nach 2030 Luft zum Atmen und Grünes in der Stadt haben. Ein Netto-Null-Flächenverbrauch ist das Ziel. Wir hoffen, dass auch unsere Berliner Stadtgärten erhalten bleiben.

Warum braucht man Stadtgärten?

Susanne: Kleingärten müssen in Wohnungsnähe sein, damit sie für alle fußläufig erreichbar sind. Sie verbessern das Kleinklima in den umliegenden Wohngegenden und sorgen für Kühlung. Fast alle Gartenfreunde haben einen Nistkästen und ein kleines Bienenhotel im Garten angebracht. In den meisten Gärten engagieren sich Frauen. Das ist auch ein Beitrag zur geschlechtergerechten Stadt. Gärten helfen ebenfalls bei der Bewältigung von psychischer Belastung im Alltag.

Alexandra: Die meisten Menschen können sich kein Haus im Grünen leisten. Aber auch deren Kinder sollen sehen, dass Kartoffeln im Herbst aus der Erde geholt werden. Und beobachten, wie sich ein Regenwurm durch die Erde wühlt. Während der Corona-Pandemie stiegen die Anfragen nach Kleingärten immer mehr. Viele Menschen können sich nur kleine Wohnungen leisten und brauchen daher einen grünen Freiraum.

Susanne: Kleingärten sind Orte, wo die unterschiedlichsten Menschen aufeinandertreffen. Da gärtnert die Berlinerin neben der Schwäbin, der Grüne neben jemandem, der vielleicht sein Kreuzchen schon mal bei der AfD gemacht hat. Und es funktioniert meistens in friedlicher Koexistenz. Eigentlich so, wie es früher in den Berliner Mietshäusern normal war. Wir sorgen damit auch für einen kulturellen Austausch und sind selbst Kulturgut.

Alexandra: Und wir versuchen, die Bodenqualität zu verbessern. Ich habe inzwischen mehrere Komposthaufen. Torfhaltige Erde kaufe ich schon lange nicht mehr. Außerdem säen wir alte, samenfeste Sorten aus, die nicht genmanipuliert sind. Wir tauschen das Saatgut auch untereinander, damit eine Vielfalt an Nutzpflanzen erhalten bleibt. 

Susanne: Wir erleben in Berlin eine starke Verdichtung. Eine verdichtete Stadt ist nicht folgenlos. Sie geht auf Kosten von allen Berlinerinnen und Berlinern. Wir spüren doch schon jetzt, wie superheiß es hier im Sommer werden kann.  

Das heißt also: Das Leben der Kleingärtner dreht sich nicht nur um Gartenzwerge?

Alexandra: Neben unserer Kleingartenanlage wurde eine Flüchtlingsunterkunft eingerichtet. Bis zum Corona-Ausbruch sind wir dort regelmäßig hingegangen. Wir haben mit den Kindern Kuchen gebacken mit Obst aus unseren Gärten. Im Frühjahr und im Herbst haben wir zusammen mit den Bewohnern Hochbeete vor deren Einrichtung bepflanzt.

Susanne: Im Mai veranstalten wir in Kooperation mit dem benachbarten Stadtteilzentrum eine Exkursion. Wir besuchen einen Permakultur-Gemeinschaftsgarten. Dort erfahren wir, welchen Einfluss der Boden auf die Beete hat und wie man beispielsweise einen Waldgarten im eigenen Garten anlegt. Im Juni findet in Berlin der Lange Tag der Stadtnatur statt. Wir sind wieder dabei und geben gerne praktische Tipps für Artenschutz und nachhaltiges Gärtnern.

Ist aktive Öffentlichkeitsarbeit Eure Strategie, um die Gärten zu erhalten?

Susanne: Wir möchten zeigen, dass die Kleingärten nicht nur für die Gärtner, sondern für die ganze Stadt wertvoll sind. Das Wohnumfeld soll möglichst grün sein. Dazu gehören nicht nur Straßenbäume und Parks, sondern auch Kleingärten.

Werdet Ihr Eure Kleingärten damit wirklich retten? Berlin braucht dringend Wohnraum?

Alexandra: Das stimmt. Aber ich halte es nicht für sinnvoll, wichtige Grünflächen dafür zu opfern. Die Kleingärten belüften die Stadt mit frischer Luft. In Zeiten des Klimawandels müssen diese grünen Flächen gesichert und nicht bebaut werden. Warum reden wir beispielsweise nicht über die riesigen Parkplatzflächen in der Stadt? 

Susanne: Wir möchten uns an der Diskussion beteiligen. Es müssen weitere Möglichkeiten gefunden werden, die Stadt zu entwickeln.

Kontakt:

Homepage: Forum-Stadtgaertnern.org,

Instagram: Berlin_braucht_mehr_Gaerten

Instagram, Facebook, Twitter: Berliner Gartengeschichten

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