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Allgemein Strategien gegen den Flächenverbrauch

Erneuerbare Energien in Zeiten der Flächenkonkurrenz

Für die Erreichung des 1,5 Grad Ziels des Pariser Klimaabkommens ist der massive Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) eine wichtige Stellschraube. Doch damit geht auch eine Inanspruchnahme von Fläche einher, die in der dichtbesiedelten Bundesrepublik rar ist und Konfliktpotenzial birgt.       

                                                                                                           

Gastbeitrag von Merlin Michaelis und Jesreel Dietrich vom BUND

Im Jahr 2020 bezog die Bundesrepublik Deutschland gut 45 % des Bruttostromverbrauchs aus EE. Im Bereich der Wärmeversorgung belief sich der Anteil EE in Deutschland auf knapp 19 %, wodurch das von der EU vorgeschriebene Ziel von 18 % erreicht wurde. Innerhalb der gesamten Energiebereitstellung hinsichtlich Strom, Wärme und Kraftstoff aus Erneuerbaren Energien stechen Biomasse (52 %), Windenergie (28 %) und Photovoltaik (13 %) heraus (Umweltbundesamt 2021).

Mit dem Erneuerbaren-Energie-Gesetz (EEG) 2021 wird das Ziel formuliert, bis zum Jahre 2050 den gesamten Strombedarf Deutschlands klimaneutral zu produzieren – das betrifft sowohl national produzierten Strom als auch Stromimporte. Für 2030 gilt das Zwischenziel 65 % des Strombedarfs aus EE zu gewinnen. Diese Ausbauziele gehen mit zunehmender Flächeninanspruchnahme von vorher meist landwirtschaftlich genutzter Fläche sowie Grünflächen einher – beispielsweise durch Windparks, Bioenergie- und Solaranlagen. Damit tritt die Errichtung von Erneuerbaren Energien in Flächenkonkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion sowie der Wohn- und Gewerbenutzung. Die Bundesrepublik Deutschland zählt zu den am dichtesten besiedelten Staaten – die „Ressource Fläche“ ist knapp. Deshalb ist die Betrachtung der Effizienz der jeweiligen Energieträger pro Quadratmeter im Hinblick auf die Erreichung der Klimaneutralität essenziell.

Eine Biogasanlage mit den dazugehörigen Anbauflächen für Energiemais (Foto: ADMC – Pixabay)

Biomasse

Die flächenintensivste Energieerzeugung unter den EE im deutschen Energiemix entsteht durch die energetische Nutzung von Biomasse. Insbesondere der Anbau von entsprechenden Energiepflanzen benötigt viel Fläche. Auf über der Hälfte dieser Fläche werden Pflanzen für Biogasanlagen angebaut, der Rest fällt auf den Anbau von Energiepflanzen für Biodiesel oder Bioethanol. Vor allem die Biogaserzeugung verzeichnet eine hohe Flächeninanspruchnahme. Für den Bau einer Anlage werden im Durchschnitt 1,26 ha, was fast zwei Fußballfelder entspricht, in Anspruch genommen (Walz et al. 2014). Hierzulande entspricht das bei ca. 9400 Biogasanlagen 11.792 ha. Zusätzlich erfolgt weitere Flächeninanspruchnahme durch den Anbau von Energiepflanzen zur Biogasproduktion. Demnach kommen für den Anbau der Energiepflanzen für Biogas 1.550.000 ha hinzu – das entspricht fast 10 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands (FNR 2021). Diese Fläche wird nicht direkt verbraucht oder versiegelt, jedoch wird sie der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche für Lebensmittel- und Futterproduktion entzogen. Hierdurch wird das Konfliktpotenzial um Fläche zusätzlich verstärkt und der Nutzungsdruck auf landwirtschaftliche Flächen steigt.       

Bezüglich der Energieerträge von Biomasse bzw. Energiepflanzen wird zwischen elektrischer- und thermischer Energie unterschieden. Bei der elektrischen Energie sind je nach Energiepflanzenart durchschnittlich 1,0 bis 1,9 kWh/m2 möglich. Die thermische Energiegewinnung weist eine Gewinnspanne von 3,0 bis 5,1 kWh/m2 auf (Bundesamt für Naturschutz 2018). Damit verzeichnet die Bioenergieerzeugung den geringsten Energieertrag je Flächeneinheit. Generell leisten die EE einen geringen Anteil zur Wärmeversorgung in Deutschland, wovon Biogas den größten Anteil ausmacht.          

Zusätzlich entstehen ökologische Folgen, welche in Bezug auf Boden- und Gewässerschutz sowie Biodiversität relevant sind. In Regionen, in denen Betriebe verstärkt Energiemais für Biogasanlagen anbauen, kommt es zu einer Intensivierung der Monokulturen, worunter die ökologische Vielfalt leidet. Dieser Prozess hat negative Auswirkungen auf die Bodenqualität- und Struktur, was zu einer erhöhten Bodenerosion führen kann. Weiterhin können die Grund- und Oberflächengewässer sowie die Biodiversität negativ beeinflusst werden. Biogasanlagen verstärken so die Belastung von Böden und Gewässern.

Untermöckenlohe: Die Anlage ist so ausgelegt, dass sie gleichzeitig als Weide genutzt werden kann. (Foto: Grüne Fraktion Bayern – Wikimedia Commons

Photovoltaik

Der Energieträger Photovoltaik verspricht hinsichtlich der Effizienz deutliche höhere Erträge. Eine bedeutende Rolle spielt hierbei der Ausbau von Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA), auch als Solarparks bekannt.                                                                                                  Das Interesse von Investor*innen an der Errichtung von Solarparks begann erstmals im Jahr 2004. Durch die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) kam es zum Entfall der Leistungsgrenze der zustehenden Fördermittel für PV-FFA. Zudem sanken die Preise für Photovoltaikmodule um ein Vielfaches, sodass es zu einem Ausbauboom an Solarfeldern kam. Dieser rasante Ausbau trat verstärkt in Konkurrenz mit landwirtschaftlichen Flächen, sodass ab Juli 2010 die Förderbedingungen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen erheblich eingeschränkt wurden. Ab diesem Zeitpunkt durften Solarparks nur noch auf bereits versiegelten Flächen, gewerblichen und militärischen Konversionsflächen sowie auf einem 110 m breiten Randstreifen von Autobahnen und Bahnlinien gebaut werden. Die EEG-Novelle 2016 beinhaltete wiederum eine sogenannte Länderöffnungsklausel, nach der nun auch ertragsarmes Ackerland, Wiesen und Weiden in benachteiligten Gebieten als Standorte für PV-FFA infrage kommen. Zur Folge hatte diese Novellierung zum einen eine wiederauftretende Flächenkonkurrenz und zum anderen stiegen durch erhöhte Flächennachfrage die Preise an Pacht- und Bodenmärkten. In der Bundesrepublik haben die Kaufwerte pro Hektar Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung von 2009 bis 2019 einen Zuwachs von 142 % verzeichnet (Statistisches Bundesamt 2019). Dies wirkt sich nicht nur negativ auf landwirtschaftliche Betriebe aus, sondern erschwert auch die Verfügbarkeit von Flächen für Naturschutzanliegen. Der Trend geht zum großflächigen Kauf von Agrar- und Grünlandflächen durch private Investor*innen und Unternehmen zur Errichtung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen –damit wird Fläche in Zeiten „günstigen“ Geldes vermehrt zur Kapitalanlage.     

Unter Berücksichtigung der notwendigen Abstandsflächen zwischen den Solarmodulen kann insgesamt von einer Effizienz von 60 bis 90 kWh/m2 im Jahr ausgegangen werden (Frauenhofer ISE 2017). Die Erträge sind dabei wesentlich von der Sonneneinstrahlung und der verwendeten Technologie abhängig, welche sich stetig weiterentwickelt.                                                                                                            Generell priorisiert der BUND einen Ausbau von PV-Anlagen auf bereits versiegelten Flächen, wie Dächern, Parkplätzen, Straßen und an Fassaden. Dennoch ist es aufgrund der Dringlichkeit des Klimaschutzes essenziell den Ausbau von PV-FFA auf landwirtschaftlichen Flächen voranzutreiben. Um die Flächeneffizienz dieser überbauten Fläche zu erhöhen, wird hier auf eine mögliche Zweitnutzung verwiesen. Diese kann zum Beispiel durch Schafhaltung oder Agri-Photovoltaik (Agri-PV), also die gleichzeitige Nutzung von Flächen für Landwirtschaft und die PV-Stromproduktion, erfolgen. Wenn sowohl die Planung als auch die Errichtung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen auf Aspekten der Naturverträglichkeit ausgelegt werden, kann eine PV-FFA auch einen Beitrag zur Biodiversitätserhöhung leisten und neue Lebensräume schaffen.

Eine Doppelnutzung der Fläche für Stromgewinnung und Ackerbau (Foto: InspiredImages – Pixabay)

Windenergie

Die mit Abstand höchste Effizienz, hinsichtlich der Energiegewinnung pro Quadratmeter, erzielt die Windenergie. Relevant für den Flächenverbrauch ist an dieser Stelle die Onshore-Windenergie, welche in Deutschland einen Anteil von 41 % an der Bruttostromerzeugung aus EE im Jahr 2020 hat (Umweltbundesamt 2021). Die direkte Flächeninanspruchnahme durch Windkraftanlagen (WKA) wird primär durch die Fundamentfläche, angrenzende Lager- und Stellflächen sowie dem Bau von Zufahrtswegen verursacht. Hierdurch kommt es zu einer durchschnittlichen Fläche von 0,16 ha pro WKA (Walz et al. 2014). In Deutschland stehen knapp 29.500 Anlagen (Stand 2021), welche in der Gesamtbetrachtung eine Fläche von ca. 4.720 ha in Anspruch nehmen. Somit werden von den WKA lediglich 0,03 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche eingenommen.                                                                            

Die Energieerträge für WKA sind sehr standortabhängig (Windverfügbarkeit) und sind deshalb hinsichtlich der Effizienz mit Vorsicht zu betrachten. Moderne Anlagen leisten, wenn man die versiegelte Fläche um die Anlage herum berücksichtigt, einen Ertrag von ca. 16.000 bis 21.000 kWh/m2 im Jahr (Bundesamt für Naturschutz 2018). Die Flächen zwischen den einzelnen Anlagen müssen nicht mit in die Rechnung aufgenommen werden, da diese beispielsweise für Nahrungs- oder Futtermittelproduktion weitgehend zur Verfügung stehen und ihre natürlichen Bodenfunktionen erhalten.

Eine potenzielle ökologische Auswirkung von WKA besteht in der Kollision von Vögeln mit den Rotorblättern der Anlagen. Schätzungsweise 100.000 Vögel werden in Deutschland jährlich durch die Rotorblätter getötet. Laut eines Sachstandberichtest der Bundesregierung aus dem Jahr 2019 besteht allerdings nicht die Gefahr eines Bestandsrückganges von Vogelarten. Jedoch könnten bei manchen Arten die Bestände mit zunehmendem Ausbau der Windenergie abnehmen. Zu den potenziell gefährdeten Arten zählen der Mäusebussard und der Rotmilan. Die eventuelle Gefährdung von Vogelarten durch den Ausbau von Windenergie wird weiterhin stark diskutiert und erfordert eine breitere Datenlage, um die Situation besser einschätzen zu können. Neue Technologien, die z.B. bei sich nährenden Vögeln die Rotorgeschwindigkeit kurzzeitig drosselt oder aufzubringende Folien, die die Sichtbarkeit der Rotorblätter erhöhen, bieten Potenziale, die Vögel in Zukunft stärker vor WKA zu schützen.

Fazit

Fläche ist in Deutschland nach wie vor ein knappes Gut. Aus diesem Grund ist wichtig, diese möglichst effizient und umweltschonend zu nutzen. Eine vierköpfige Familie verbraucht gut 4.000 kW/h Strom im Jahr. Würden sie ihren Strom ausschließlich aus der Energie von Biogasanlagen beziehen, dann bräuchten sie eine Fläche von 2.759 m² pro Jahr – bei Photovoltaik wären es 53 m² und bei Windenergie nur 0,2 m². Solar- und Windparks bieten in dieser Diskussion die höchsten Potenziale, da die Fläche um die Anlagen herum für sekundäre Zwecke weiterhin genutzt werden kann. Es ist außerdem wichtig, dass diese Fläche ökologisch nachhaltig genutzt wird – nur so kann eine Energiewende gelingen, welche auch mit der Natur im Einklang steht. Grundsätzlich sollte der Bau neuer Anlagen flächensparend gestaltet werden. Somit sollen Solaranlagen vorrangig auf bereits versiegelten Flächen installiert werden – eine dezentralisierte Energieversorgung wird an dieser Stelle gefordert. Energieversorgung muss in den demokratischen Prozess mit eingebunden werden und sollte in die Hände der Bürgerinnen und Bürger gelegt werden – nur so kann konsequenter Klimaschutz betrieben werden.

Umweltbundesamt auf Basis AGEE-Stat, 2021

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