Heute ein Gastbeitrag von Ingrid Hagenbruch, Vorsitzende des Bundesbündnis Bodenschutz. Ursprünglich ist sie über eine geplante Gewerbeansiedlung in ihrer Heimatstadt Weinheim zum Bodenthema gekommen und hat schnell bemerkt, hier liegt ein viel größeres Problem vor, als der Verlust der Ackerfläche vor den Toren Weinheims. Dass Flächenverbrauch in den meisten Fällen zu Lasten landwirtschaftlicher Fläche geht, ist Grundlage für das Bündnis Naturschutz und Landwirtschaft zusammenzubringen und gemeinsam eine verantwortungsvolle Bodenpolitik zu forden. Hier stellt Sie Ihre Initialbürgerintiative „Breitwiesen Weinheim“ vor.
Portrait „Hintere Mult“ in den Weinheimer Breitwiesen, Baden-Württemberg
Die „Hintere Mult“ ist ein malerisches Flurstück mit einigen Obstwiesen , ferner Äcker und Felder . Auf diesen Feldern wird Futter für den benachbarten Milchhof angebaut. Die Milchkühe dort leben – so nach meinem Eindruck – wirklich sehr gut. Freie offene Ställe, viel Platz für die Tiere , gute Pflege. Jeder , der den Hof besucht, ist begeistert. Die Bäuerin- Iris kennen wir seit langem. Sie versorgt die Anwohner mit frischer Milch in Direktvermarktung , Joghurt usw.
Befürchteter Schaden
Durch das Vorhaben ist die Existenz von Iris, sowie anderer Bauern , auch der Obstbauern, bedroht. Wenn das Gebiet bebaut wird, verlieren wir eine Kaltluftentstehungsfläche , es fehlt die kühlende Wirkung dieser Frischluftschneise vor Weinheim. Da das Wasser nicht mehr versickern kann , baut man extra ein größeres Regenrückhaltebecken! Kostenintensiv! Viele Menschen verlieren Ihr geliebtes Naherholungsgebiet, Kinder die Wiesen zum Toben. Tiere und Pflanzen, die es dort gibt, werden vernichtet.
Vorgeschichte und aktueller Stand
Nachdem wir von der Bürgerinitiative Breitwiese 2013 mit deutlicher Mehrheit einen Bürgerentscheid zur Rettung eines 42 ha großen Feldflur –gebiets vor unserer Stadt gewonnen haben, war zunächst 3 Jahre lang Ruhe. Solange dauert die rechtliche Bindungsfrist eines Bürgerentscheids. 2017 jedoch beschloss jedoch der Gemeinderat ( CDU, SPD, Freie Wähler ) mehrheitlich auf Vorschlag des Oberbürgermeisters und der Verwaltung , für die 12, 5 ha große „ Hintere Mult“, einen Bebauungsplan für Gewerbebebauung zu entwickeln. Zwar war das Gebiet seit 2004 bereits als Gewerbegebiet ausgewiesen , allerdings rechnete niemand so schnell mit der Gewerbeflächenentwicklung- zumal noch andere Gewerbeflächen in der Stadt ungenutzt sind. Wir in der BI Breitwiesen erfuhren dies erst spät- zu spät für einen Bürgerentscheid.
Hintergrund des Vorhabens : ein Hersteller für Industriefilter mit maroden Lagergebäuden in der 15 km entfernten Stadt Heppenheim möchte angeblich sein Lager direkt an sein Gebäude an der Hinteren Mult in Weinheim anbauen. Dies war Grund genug für die Stadt , Bedarf für die „Gewerbeentwicklung“ des gesamten Gebiets anzumelden. Genaue Fragen – zB. zum Nutzen, den erwarteten Gewerbesteuereinnahmen und den Kosten ( also Fragen nach einer fundierten Wirtschaftlichkeitsanalyse) wurden nicht beantwortet. Die Mehrheit des Gemeinderats verließ sich auf die vagen Angaben der Verwaltung , Nutzen für die Stadt sei zu erwarten.
Derzeitiger Prozesstand: Einige Eigentümer und Pächter haben sich mit unserer Beratung und Unterstützung entschlossen, zu klagen. Vor dem Verwaltungsgericht ist die Klage gegen den Bebauungsplan ( Normenkontrollverfahren ) anhängig. Beim Landgericht Karlsruhe wurde gegen den Umlegungsbeschluss geklagt.( Kammer für Baulandsachen) . Beide Entscheidungen stehen aus.
Unabhängig von den rechtlichen Schritten finden seitens der Bürgerinitiativen Protestaktionen , Mahnwachen usw. statt. Presseartikel zum Thema Schutz der Landschaft werden lanciert.
Mein Fazit
Wieder einmal wird bei Wirtschaftsförderung , Oberbürgermeister und Verwaltung einseitig auf das Generieren von Gewerbesteuer gesetzt. Es werden weder valide Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen angestellt- denn sonst würde sich klar ergeben, dass bei mittelfristiger Betrachtung über einen Zeitraum von 15 – 20 Jahren es im besten Fall ein Null-Summen –Spiel sein kann, vermutlich aber letztlich höhere Folgekosten bei der Stadt hängen bleiben als an Einnahmen erzielt werden kann. Es geht offensichtlich nur um den kurzfristigen Gewinn. Langfristig wird immer mehr Natur und (Kultur)Landschaft zerstört.
Ohne griffige gesetzliche Vorgaben halte ich es für schwierig , die kommunalen Verwaltungen und Entscheidungsträger zur Umsetzung des Flächensparziels zu bewegen.
Ingrid Hagenbruch