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Ein heikles Geschäft mit dem Boden – Carbon Farming

Die europäische Kommission rechnet mit dem Boden. Als Kohlenstoffspeicher soll er das C02 speichern, dass trotz aller Einsparbemühungen nicht verhindert werden kann. Er ist damit essenziellen Bestandteil ihres Klimaschutzplans. Um bis 2050 klimaneutral zu sein, soll die Kohlenstoff-Speicherfähigkeit des Bodens nun sp erhöht werden, dass 42 Millionen Tonnen CO2 gespeichert werden. Die Idee der Carbon Farming Initiative ist es Landwirtschaft und Unternehmen dazu animiert, den Boden so pfleglich zu behandeln, sodass es zu mehr Kohlenstoffspeicherung kommen kann. Wichtiger Bestandteil ist der Aufbau von Humus im Boden. 

Humus besteht zu 58 Prozent aus Kohlenstoff. Bei einer Erhöhung des Humusgehaltes um einen Prozent können je Hektar zirka 18 Tonnen zusätzlicher Kohlenstoff gebunden werden. Unter Ackernutzung liegen die Humusgehalte in Europa derzeit überwiegend bei 1-4 %, bei forstlicher Nutzung bei 2-8 % und unter Grünland bei 4-15 %. Generell gibt es die höchsten Zunahmen bei niedrigen Kohlenstoff-Anfangsgehalten der Flächen von unter 2 % ( das entspricht etwa entspricht etwa 1,7 bis 3,5 % Humusgehalt) und bei Tongehalten ab ca. 30 %. Die größten Kohlenstoff-Abnahmen sind bei hohen Kohlenstoff-Anfangsgehalten zwischen etwa 2 % und 3 % und bei Tongehalten unter 10 % zu verzeichnen.

Durch Maßnahmen wie:  Dauer- und Zwischenbegrünung, Wiedervernässung von Mooren, Flächenerhalt statt Versiegelung könnte zusätzlicher Kohlenstoff im Boden gespeichert werden. Bis dahin ein guter Gedanke. 

Grünlandpufferzone um niedersächsisches Großes Torfmoor (Foto: Niko Martin / thegood.media)
Grünlandpufferzone um niedersächsisches Großes Torfmoor (Foto: Niko Martin / thegood.media)

Humuszertifikate

Ökonomischen Anreize sollen Landwirtschaft und Unternehmen dazu animieren, Kohlenstoffsenken zu schaffen. Einerseits sollen Landwirte Humus-Zertifikaten produzieren können, indem sie so wirtschaften, dass Humus im Boden aufgebaut wird, andererseits sollen Unternehmen diese Humuszertifikate kaufen können, um die Emissionen,  die bei ihren Tätigkeiten entstehen, im Rahmen des Emissionshandels ausgleichen zu können. Aber die Produktion als auch Ausgleich führen zu Problemen.

Humus in landwirtschaftlich genutzten Böden ist nicht stabil. Der darin gebundene Kohlenstoff kann auch wieder freigesetzt werden. Wenn zum Beispiel die Wiese, in der das CO2 gespeichert ist, wieder zum Acker umgebrochen wird. Das passiert sehr häufig, denn ein 5 Jahre nicht umgebrochenes Grünland, darf  nicht wieder zum Acker umgenutzt werden. Daher pflügen Landwirtinnen und Landwirte häufig nach 4 Jahren ihre Grünlandflächen, um sich alle Ertragsmöglichkeiten offen zu erhalten. Die Carbon Farming Initiative müssten also um Kohlenstoffbindung wirksam zu binden eine Pflicht zum dauerhaften Erhalt des Grünlands enthalten. Wenn es gelänge, so zur Mehrung von Dauergründland zu sorgen, wäre das ein großer ökologischer, aber auch klimatischer Gewinn. Dessen Nutzen hängt stark von der Intensität der Bewirtschaftung der Grünlandflächen ab. Wird die Grünlandnutzung intensiviert, ist mit einer höheren Gewässerbelastung und einem Verlust an Biodiversität zu rechnen. Ein großes Problem dabei: Der ökonomische Druck auf Bäuerinnen und Bauern ist so hoch, dass eine dauerhafter Verzicht auf ertragreiche Böden kaum vorstellbar ist. Auf Dauergrünland kann nur extensive Weidetierhaltung betrieben werden, die als weniger lukrativ gilt. Positive Gegenbeispiele gibt es durchaus, sind aber noch eine ökologische Nische.

Zudem lässt sich der Humusgehalte in landwirtschaftlichen Böden nicht beliebig erhöhen. Nach einigen Jahrzehnten stellt sich in der Regel ein Fließgleichgewicht ein. Die Kunst besteht dann darin, dieses Gleichgewicht durch angepasste Bewirtschaftung zu erhalten. Nur so erfüllen Böden ihre Funktionen als Lebensraum für tausende von Bodenorganismen, die bei der Versorgung mit Pflanzennährstoffen sowie bei der Regelung des Wasserhaushalts eine wichtige Rolle spielen.

Rauchschwalben-Junge im Nest (Foto: Niko Martin / thegood.media)
Auch diese Rauchschwalben-Jungen am großen Torfmoor in Niedersachsen würden sich über mehr wiedervernässte Moore freuen. Sie bauen ihre Nester auf feuchten Schlamm.(Foto: Niko Martin / thegood.media)

Humuszertifikate als Ersatzleistung

Schwierig wird es, wenn diese Humuszertifikate gehandelt werden können. Nämlich um CO2 Emissionszertifikate zu bezahlen. Dann führen sie nicht zur dringend notwendigen Reduktion der klimaschädlichen Emissionen von Unternehmen, sondern ermöglichen ein bequemes “weiter so” mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Diskrepanz zwischen echtem und auf dem Papier existierenden Klimaschutz. 

Dass ausgerechnet wirtschaftliche Akteure für die zusätzliche Humusspeicherung herangezogen werden sollen ist ein weiteres Problem. Diese sind auf Gewinnmaximierung ausgerichtet. Naturschutz ist nur dann ein relevanter Faktor, wenn er mehr Kosten verursacht oder hilft Ausgaben zu verringern. Da Unternehmen aber in der Regel sehr erfinderisch sind, Bestehendes maximal zu nutzen und neue günstige Alternativen für drohende Kostensteigerungen zu finden, besteht die große Gefahr, dass die Humuszertifikate nicht nach hochwertigen Naturschutzaspekten produziert und gekauft werden, sondern nach dem günstigsten Preis für alle Beteiligten. 

Unsichere Datenlage

Laut einer Studie des Ökoinstituts und der deutschen Energieagentur ist die Datenlage äußerst dürftig. Trotz einzelner Studien und Modellergebnisse über mögliche Entwicklungen des Kohlenstoff-Bodenvorrates in landwirtschaftlich genutzten Böden lässt sich die Frage nach dem Potenzial für Deutschland derzeit nicht sicher beantworten. Es scheint vor allem große regionale Unterschiede zu geben, die das vorhanden Potenzial und die notwendigen Maßnahmen erschweren.

Da schwierige Datenlagen auf EU-Ebene aber häufig dazu führen, dass nichts gemacht wird, wäre abwarten hier ein falscher Weg. Wichtig ist mit dem Aufbau und dem Schutz von Kohlenstoffsenken zu beginnen, auch die Landwirtschaft zu belohnen, wenn Sie dauerhaft Kohlenstoff im Boden sichern. Ob man gleichzeitig den Unternehmen erlauben sollte Emissionen mit Humuszertifikaten zu bezahlen ist jedoch äußerst fraglich.

Maulwurfhügel im Grünland auf ehemaliger Moorfläche (Foto: Niko Martin / thegood.media)
Maulwurfhügel im Grünland auf ehemaliger Moorfläche (Foto: Niko Martin / thegood.media)

Klimaschutz mit Herzblut statt Geldbeutel

Eigentlich müssten sich Institutionen, die ein wirkliches Interesse an Klima- und Umweltschutz haben, um die Kohlenstoffsenken kümmern. Dies müssen nicht zwangsläufig die Natur- und Klimaschutzverbände sein. Könnten es aber. Genauso denkbar sind gemeinwohlorientierte Unternehmen, deren expliziter Zweck nicht der Gewinn, sondern der Klimaschutz ist. Weiterhin muss die EU Sorge dafür tragen, dass ihre gut gemeinte und wirklich sehr notwendige Initiative kurz- und langfristig die notwendige Wirksamkeit entfaltet. 

Weitere Information gibts hier:

Lumbricus-Beitrag zur Kohlenstoffspeicherung im Meeresboden

Karte des Umweltbundesamtes zur Kohlenstoffvorräte in Deutschland

Umweltbundesamt: Studie zu Humusauf- und abbau in landwirtschaftlichen Böden

DENA/Ökoinstitut Studei zu den natürlichen Senken

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